Eyetracking: Analyse des Nutzungsverhaltens

Eyetracking Technologie

Wie hinlänglich bekannt sein dürfte, ist die Suchmaschinenoptimierung nicht der Weisheit letzter Schluss beim Online Marketing. Was letztendlich zählt sind nicht die reinen Besucherzahlen sondern die Aktionen, die die Besucher auf der Webseite durchführen. Man strebt generell nach der höchstmöglichen Konversionsrate (das Verhältnis von Besuchern, die zu tatsächlichen Kunden werden). Dabei spielen Design und Usability eine maßgebliche Rolle. Leider lässt sich nur bedingt (z.B. anhand der Logfiles und der Reihenfolge der besuchten Seiten) nachvollziehen, was ein User warum angeklickt hat.

Ein weitaus besseres Instrument zur Messung der Aktionen eines Users auf einer Webseite bietet die Eyetracking Technologie, um die es in diesem Artikel geht. Der Artikel beruht auf einer Ausbarbeitung, die ich im Rahmen meines Studiums präsentiere. Den ersten Teil dazu mit weiteren Beispielen zu den Anwendungsgebieten der Eyetracking Technologie findet ihr unter Anwendungsgebiete Eyetracking
.

Möglichkeiten des Eyetrackings

Eines der größten Anwendungsgebiete der Eyetracking Technologie ist das Online Marketing. Dabei werden Eyetracking Mechanismen genutzt um die Wirkung einer Webseite auf einen Benutzer zu messen und dessen Aufmerksamkeitsbereiche zu analysieren. Mit Hilfe der ermittelten Werte lassen sich grafische Übersichten erstellen, aus denen man sehr gut erkennen kann, welche Bereiche ein Webseitennutzer mehr oder weniger intensiv betrachtet hat. Dazu haben sich verschiedene Kennzahlen und Techniken etabliert, die im Folgenden vorgestellt werden. Die Analyse dieser Kennzahlen gibt Aufschluss darüber, warum ein User ein bestimmtes Verhalten an den Tag legt.

Heatmaps

Der Begriff Heatmaps wurde von der gleichnamigen Techonlogie zur visuellen Erfassung von Wärmedaten abgeleitet. Dabei werden Position und die Dauer von Fixationen gemessen und farblich gekennzeichnet. Lange betrachtete Flächen werden rot und kurz betrachtete Fläche blau oder gar nicht eingefärbt dargestellt. Heatmaps reflektieren also die visuelle Aufmerksamkeit, die ein User den Unterschiedlichen Bereichen einer Webseite geschenkt hat.

Attention Clouds (Zielgruppenanalyse)

Die User einer Webseite lassen sich häufig in unterschiedliche Zielgruppen einteilen. Eine einfache Unterscheidung lässt sich zum Beispiel anhand des  Interesses des Benutzers machen. Interessierte Benutzer lesen in der Regel Textabsätze intensiver und länger, während desinteressierte Besucher den Blick eher schweifen lassen. Häufig ist auch das unterschiedliche Verhalten von neuen und wiederkehrenden Besuchern von Bedeutung.

Bei Attention Clouds können gleichzeitig die Daten von ganzen Benutzergruppen erfasst und visualisiert werden. Dabei werden den verschiedenen Benutzergruppen unterschiedliche Farbschemen zugewiesen, die dann im gleichen Bild angezeigt werden können.

Areas/Regions of Interest

Bei der Eyetracking Technologie ist es bisher nur möglich, Saccaden und Fixationen zu unterscheiden. Damit lässt sich jedoch lediglich der sog. foveale Bereich des Blickes erfassen, also das was direkt auf die Netzhaut trifft. Neben der Netzhaut gibt es allerdings noch einen Bereich, der nur sehr wenige Zapfen enthält, aber dennoch sinnvolle visuelle Informationen verarbeiten kann. Der gesamte Bereich, den wir tatsächlich wahrnehmen wird als extrafoveal bezeichnet wobei dieser durch Wissen und Erfahrungen geprägt und somit nicht messbar ist. Ein Beispiel dafür wäre etwa ein Firmenlogo, das in seiner Gesamtheit wahrgenommen wird. Vom Eyetracking wird allerdings nur der exakte Fixationspunkt gemessen.

Deshalb wird eine Webseite in zusammengehörige Regionen (sog. Regions of Interest) eingeteilt, die dann als Einheit angesehen und dementsprechend bewertet werden. Diese Analyse liefert meist realitätsnähere Ergebnisse als die reine Erfassung von Fixationen und Saccaden.

Scanpath (Blickpfad)

Bei der Scanpath- bzw. Blickpfadanalyse wird die Reihenfolge und Intensität der visuellen Aufnahme einer Webseite aufgezeichnet. Dabei wird in der Regel nicht nur der Pfad selbst dargestellt, sondern es werden auch die Bereiche, auf denen der Blick länger verweilt durch Markierungen (z.B. Kreise) gekennzeichnet. Eine Saccade kennzeichnet bei diesem Verfahren den Anfangspunkt eines Pfades während eine Fixation eine Area of Interest identifiziert und durch die Länge die Größe der Markierung beeinflusst.

Auf http://www.scoreberlin.de/ gibt es ein Video zu verschiedenen Eyetracking Analysen. Gleiches gilt für http://www.interactive-minds.com/.

Resultate

Mit Hilfe der Eyetracking Studien kann das Nutzungsverhalten eines Users untersucht werden. So können zum Beispiel Phänomene wie Banner Blindness nachgewiesen oder es kann untersucht werden, welche Werbung an welche Position die meiste Aufmerksamkeit bekommt. Gleiches gilt natürlich auch für Textpassagen und Hyperlinks in Texten. Als Resultat kann man eine Webseite auf das Nutzungsverhalten der User Anpassen und dadurch die Besucherinteraktionen besser steuern.

Bewertung der Ergebnisse

Die Erkenntnisse, die aus einer Eyetracking Studie gewonnen werden, müssen auf jeden Fall kritisch hinterfragt werden. Wie bereits im Abschnitt über Attention Clouds erwähnt, verhalten sich nicht alle User gleich, so dass man keine allgemeingültig „beste“ Optimierung vornehmen kann. Außerdem gibt es noch eine Reihe weitere Problemfaktoren, die beim Eyetracking auftreten:

  • User können bestimme Bereiche fixieren, ohne diese tatsächlich wahrzunehmen
  • Periphere Bereiche (z.B. Scrollbalken) werden durch unterbewusst wahrgenommen und können nicht von Eyetracken erfasst werden
  • Eyetracking lässt nur quantitative Aussagen zu, keine qualitativen
  • Brillen oder Kontaktlinsen können zur Verfälschung von Ergebnissen führen
  • Um eine ausreichend hohe statistische Sicherheit zu bekommen, müssen viele Versuche durchgeführt werden
  • Eyetracking Studien sind oft langwierig und teuer

Bisherige Untersuchungen

Im Jahr 2006 wurde eine Studie von Jacob Nielsen zu visuellen Aufnahmen von Webseiten durch Benutzer durchgeführt, die auf der Eytracking Technologie beruht. Die Ergebnisse werden in seinem Buch „Eyetracking Web Usability“ präsentiert. In einem Interview mit ZDNet erwähnte Nielsen unter anderem einen für den Benutzer typischen F- oder E-Blick, bei dem lediglich die ersten Bereiche links am Anfang einer Zeile intensiver betrachtet werden, während der Rest überflogen wird (wenn er überhaupt gelesen wird). Es lohnt sich also, die wichtigen Informationen an den Anfang eines Absatzes zu stellen.

Interessant sind dabei vor allem die Aussagen zu Bannern und Werbung. Diese werden vom Benutzer häufig ausgeblendet oder maximal mit einem kurzen Blick bedacht. Das gleiche gilt auch für normale Inhalte, die auf den ersten Blick wie ein Banner aussehen. Das sollte man auf jeden Fall im Hinterkopf behalten, wenn man zum Beispiel seiteninterne News vermitteln möchte. Weniger kann in diesem Fall mehr bedeuten.

Der abschließende Rat von Nielsen lautet:

„Understand the F principle, write eye-catching, concise headlines and display crisp images.“

Die Webseitendesigner sollen sich also des F-Prinzips bewusst sein, es umsetzen und Überschiften verwenden die die Aufmerksamkeit des Users anregen. Mit „crisp images“ sind im Bezug auf den Rest des Interviews wohl vornehmlich eine gute Qualität und zum Text passende Bilder gemeint.

Alternativen

Seit einiger Zeit gibt es diverse, automatisierte Alternativen zu Eyetracking Studien, die Anhand gewisser Algorithmen das visuelle Verhalten eines Users simulieren. Zwar ersetzen diese Simulationen keine real durchgeführte Eyetracking Untersuchung, können aber zumindest als erster Anhaltspunkt diesen und sind außerdem fast verzögerungsfrei verfügbar. Einen ausführlichen Artikel zu Eyetracking Simulatoren gibt es auf http://www.usability-tipps.de/.

Eyetracking Simulation durch den Attention Wizard
Sieht echt aus, ist aber nur eine Simulation. Ein Resultat des AttentionWizards.

Problematisch ist dabei vor allem, dass der automatisierte Test viele Faktoren der realen Welt nicht mit einfließen lassen kann (wie zum Beispiel den Charakter des Users). Dazu zählt unter anderem auch, dass ein User sich beim Navigieren innerhalb einer Homepage an deren Layout gewöhnt. Dadurch entwickelt er intuitiv einen eingeschränkten Aufmerksamkeitsbereich, der wiederum die Wahrnehmung der sich ändernden Inhalte beeinflusst. Allerdings sind diese Faktoren durchaus durch eine ausgefeiltere Technik zu lösen (User Profile, Parameter für zu prüfende Webseiten, usw.)

Fazit

Warum sich ein Besucher wie verhält wird sich wohl nie 100%ig feststellen lassen, dafür gibt es einfach zu viele Einflussfaktoren. Mit Hilfe der Eyetracking Technologie kann man allerdings bei einem entsprechenden Stichprobenumfang durchaus auf statistisch verwertbare Ergebnisse kommen. Die Umsetzung ist allerdings immernoch ein zweischneidiges Schwert, schließlich handelt es sich trotzdem noch um Tests und nicht um realer Besucher. Veränderungen sollte man also trotz allem mit Bedacht durchführen und die Ergebnisse genaustens analysieren.

Hirnhamster

hat einen Bachelor in Angewandter Informatik und bloggt auf MySEOSolution regelmäßig zu Updates im Bereich der Suchmaschinenoptimierung. Außerdem freut er sich über Kontakte auf Google+ 🙂

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